Willkommen auf der zentralen Informationsplattform zur Verfassungsbeschwerde gegen den Hausrechts- und Gesundheitsparagraphen (§ 6 Abs. 2 und 4 SBGG) des Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG).
Wir – Alina Morad und Sebastian Potter – bereiten eine Verfassungsbeschwerde gegen zentrale, entrechtende und verfassungswidrige Teile des neuen Gesetzes vor. Diese Seite dient der Aufklärung, der Sammlung von Argumenten und der Bündelung des Widerstands.
Das Selbstbestimmungsgesetz wurde uns als historischer Fortschritt verkauft. Doch hinter der Fassade der Vereinfachung verbirgt sich eine bittere Wahrheit: Das Gesetz ist eine Mogelpackung, die mit dem § 6 eine vergiftete Pille enthält. Es entwertet den Geschlechtseintrag und führt zu einer massiven Entrechtung von TSG- und SBGG-Absolventen. Besonders perfide: Durch § 15 Abs. 2 Nr. 1 SBGG werden auch die hart erkämpften Rechte von Menschen, die ihre Anerkennung bereits nach dem alten Transsexuellengesetz (TSG) erhalten haben, stillschweigend rückabgewickelt (indem sie in gleicher Weise unter die Einschränkungen des Hausrechts- und Gesundheitsparagraphen gestellt werden).
Wir wehren uns gegen diese Täuschung und gleichermaßen gegen diese Entrechtung von SBGG- und TSG-Absolventen.
Um die Problematik zu verstehen, muss man den exakten Gesetzestext kennen:
§ 6 Wirkungen der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen (1) Der jeweils aktuelle Geschlechtseintrag und die jeweils aktuellen Vornamen sind im Rechtsverkehr maßgeblich, soweit auf die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung oder die Vornamen Bezug genommen wird und durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Betreffend den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen bleiben die Vertragsfreiheit und das Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers sowie das Recht juristischer Personen, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, unberührt. (3) Die Bewertung sportlicher Leistungen kann unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden. (4) Auf den aktuellen Geschlechtseintrag kommt es bei allen gesundheitsbezogenen Maßnahmen oder Leistungen nicht an, sofern diese im Zusammenhang mit körperlichen, insbesondere organischen Gegebenheiten stehen.
Dieser Paragraph ist der Kern der neuen Diskriminierung. Er gibt Hausrechtsinhabern (z.B. von Saunen, Fitnessstudios, Umkleiden und Toiletten, aber auch Vermietern oder Arbeitgebern etc.) das Recht, den formal-verwaltungstechnischen Geschlechtseintrag (wie er z.B. als Buchstabe “f” oder “m” kodiert im Reisepass steht) einer Person zu ignorieren. Das Wort "unberührt" bedeutet hier: Das Hausrecht wird von Ihrem Geschlechtseintrag “unberührt” ausgeübt. Der Hausrechtsinhaber darf Sie nach seinem privaten Urteil behandeln und Ihr Geschlecht selbst definieren – in der Regel nach Ihrem “Hebammeneintrag”. Damit wird das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Diskriminierung verbietet, gezielt ausgehebelt. Die Saunaleitlinie des Deutschen Sauna-Bundes ist nur das erste, aber deutlichste Beispiel für diese neue, gesetzlich legitimierte Form der Ausgrenzung.
Dieser Paragraph entkoppelt die medizinische Behandlung vom formal-verwaltungstechnischen Geschlechtseintrag. Das klingt auf den ersten Blick logisch, führt aber in der Praxis zu massiver Rechtsunsicherheit. Ärztliches Personal, Krankenhäuser oder Versicherungen können sich darauf berufen, um TSG- und SBGG-Absolventen notwendige Behandlungen zu verweigern oder sie falsch zu behandeln, weil sie sich allein auf die "organischen Gegebenheiten" des “Hebammeneintrags” berufen. Dies kann zu lebensgefährlichen Situationen führen und untergräbt das Vertrauen in das Gesundheitssystem.
Dieser Paragraph sorgt dafür, dass die oben genannten Entrechtungen auch für alle gelten, die ihre Anerkennung nach dem alten TSG mit höchstrichterlichem Beschluss und oft nach jahrelangem Kampf erhalten haben. Die volle juristische Gleichstellung mit allen anderen Geschlechtsgenossen /-genossinnen, die § 10 TSG garantierte, wird damit heimlich und rückwirkend zerstört. Der mühsam erworbene Status wird zu einem wertlosen Papiereintrag degradiert. Erst durch die im PstG neu geschaffene “Geschlechtsdiskrepanz” zwischen “Geschlechtseintrag” einerseits und “Geschlecht” andererseits wird die Diskriminierung im § 6 Abs. 2 und 4 SBGG erst möglich, ohne dass die diskriminierte Person sich gerichtlich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) berufen kann. (Die Veränderungen von Geschlecht zu Geschlechtseintrag in einigen Passagen des PstG wurden im Artikel 4 des SBGG-Mantelgesetzes festgelegt.)
Das Schlüsselwort im Gesetz ist "unberührt". Der Staat verspricht uns Anerkennung, erklärt aber im selben Atemzug, dass diese Anerkennung das private Hausrecht und andere Bereiche "unberührt" lässt.
Damit werden WIR zu den "Unberührten". So wie in der Geschichte und Literatur Ausgestoßene als "Unberührte" galten, die man meiden musste, so erklärt uns dieses Gesetz zu Personen, deren aktueller Geschlechtseintrag für andere keine Rolle mehr spielen darf, wenn es um die Einschätzung des wahren Geschlechtes geht. Unsere Transition, unsere Identität, unser Leben als Frau oder Mann – all das soll das Hausrecht eines anderen nicht "berühren", d.h. keinen Einfluss auf das Hausrecht eines anderen ausüben.
Deshalb haben wir unser Projekt Unberührtenklage genannt. Es ist die Klage derer, die durch dieses Gesetz zu "Unberührten" gemacht werden sollen.